Bei einer Tasse Hanftee unter dem Nussbaum erzählt Roger Flori über die geschichtsträchtige Kulturpflanze Hanf, die ihn seit über zwanzig Jahren fasziniert. Sein Wissen über den Alleskönner ist enorm. «Natürlich Flori» gibt es seit 1995.

«Ich bin ein Idealist», sagt Roger Flori und giesst den hellgrünen Tee in die Tasse. Der Hanftee duftet würzig mild. Die erwartete Bitterkeit bleibt aus. Das liege an der tollen Qualität der neuen Ernte − und natürlich an der Zubereitung. Die getrockneten Hanfblätter werden mit nichtkochendem Wasser übergossen und ziehen nur gerade während drei Minuten. Das Ergebnis ist ein sehr bekömmlicher Tee, der sich ganz ohne berauschenden THC-Gehalt entspannend auf den Körper und besonders positiv auf die Verdauung auswirkt. «Mein Fachgebiet ist der Nutzhanf, auch Industriehanf genannt», erklärt Flori, wie er sich nennt. «Den baue ich ausschliesslich auf dem Feld an». Das Anbaugebiet liegt im Thurgau, nahe der Grenze zum Kanton Zürich. Von Indoor-Anlagen hält er nichts. Das sei nicht mit einem verantwortungsbewussten Umgang mit der Natur vereinbar, wenn den Pflanzen Licht und Wasser in der erheblichen Menge künstlich zugeführt werden müsse.

Bei Flori wird der Hanf selbst gesät, gezogen, auf dem Feld gepflegt, von Hand geerntet, in Bündeln aufgehängt getrocknet, weiterverarbeitet und vermarktet. Im Rägeboge Biofachmarkt am Hauptbahnhof und auf dem Wochenmarkt sind die Hanfsamen und das Hanfprotein des Tüftlers erhältlich. So können Müesli, Smoothies und Backwaren mit wertvollem pflanzlichem Protein angereichert werden, das essentielle Aminosäuren enthält. Das Hanfprotein ist leicht verdaulich und fördert den Muskelaufbau und die Muskelregeneration. Flori experimentiert seit langem mit Hanfeis und aktuell mit Hanfstielen als kompostierbare Trinkhalme. Die Ideen scheinen ihm nicht auszugehen.

Auf sein erstklassiges Hanföl ist er besonders stolz. Es wird kalt gepresst in der eigens entwickelten hydraulischen Presse. Das Öl ist äusserst reichhaltig an Omega-Fettsäuren 3, 6 und 9, Beta-Karotin, Vitamin E und Chlorophyll. Die schonende Verarbeitung ergibt eine Jahresproduktion von rund einhundert Liter. Die Ertragsmenge von Hanf ist gegenüber Raps verschwindend gering. Während eine Hektare Raps rund vier Tonnen Rapssamen ergibt, kommt Hanf bei derselben Anbaufläche auf nur gerade 700 bis 800 Kilogramm Hanfsamen. Die aufwändige Verarbeitung und die geringe Ertragsmenge erklären den hohen Preis für das Öl. Flori ergänzt: «Mein Hanföl kommt nie in Berührung mit Kunststoff. Ich verwende bei der Herstellung und der Verpackung nur Glas- und Edelstahlbehälter». Auch da bleibt er seinen Idealen treu.

Fotos: Karin Witschi
Text: Claudia Schreiber